[DKF 2022] AG 4 - Rolle und Bedeutung der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik in beiden Ländern in einer veränderten politischen Weltlage

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AG 4: Rolle und Bedeutung der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik in beiden Ländern in einer veränderten politischen Weltlage

분과세션4: 변화된 국제정치상황에서 양국의 대외문화 및 교육정책의 역할과 중요성

Chair: Dr. Uwe Schmelter, Präsident der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft

Referenten:

Gitte Zschosch, Generalsekretärin, Institut für Auslandsbeziehungen (Ifa)

Prof. Kisuk Cho, Professorin der Graduate School of International Studies an der Ewha Womans University, Direktorin der Public Diplomatic Center der Ewha Womans University


Protokollantin: Sophie Plassen

Vor dem Hintergrund der veränderten politischen Weltlage und insbesondere des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine diskutierte die Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. Uwe Schmelter, Präsident der Deutsch-Koreanischen Gesellschaft, über die Signifikanz der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. In seinen einleitenden Worten wies Dr. Schmelter auf die Erfolge der Kulturpolitik hinsichtlich einer graduellen Öffnung Nordkoreas hin. Kultur- und Bildungspolitik seien nicht mehr nur Instrumente der Soft Power, sondern fänden nun auch ihren Nutzen in der Hard Power.

Frau Gitte Zschosch, Generalsekretärin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) hielt den ersten Impulsvortrag zur Arbeit der ifa und der Deutschen Auswärtigen Kulturpolitik. Die Veränderung der politischen Weltlage spiegele sich auch in einer signifikanten Reduzierung von Meinungs-, Kunst- und Kulturfreiheit wider. Es gehe nicht mehr nur vorrangig um den kulturellen Austausch und die Zusammenkunft, sondern besonders um den Schutz von Aktivisten und Künstlern und deren grundlegender Rechte. Projekte wie die Martin-Roth- oder die Elisabeth-Selbert-Initiative haben sich eben diesen Schutz der Aktivisten zur Aufgabe gemacht.  Dem Koalitionsvertrag der neuen deutschen Regierung entsprechend müsse darauf geachtet werden, dass die Partnerländer Deutschlands diese Freiheiten und Rechte gewährleisten. Vor dem Hintergrund eines Krieges, der in der unmittelbaren Nachbarschaft Deutschlands stattfinde, möge man sich womöglich fragen, ob der Kulturaustausch überhaupt ein sinnvolles Instrument zur Friedensstiftung sei. Doch insbesondere in solchen konfliktreichen Situationen sei der Einsatz und die Bemühungen um auswärtige Kulturpolitik besonders relevant: Die klassische Kulturdiplomatie habe darauf abgezielt, das Beste der eigenen Kultur im Ausland zu präsentieren. Jedoch habe es in den letzten Jahren eine Bewegung hin zu einer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik gegeben. Ein Vorbild sei die im Jahre 2016 veröffentlichte Globale Strategie der Europäischen Union für die Außen- und Sicherheotspolitik, wobei das übergeordnete Ziel dieser Strategie sei, Vertrauen und Verständnis durch Kultur zu generieren. Das 1917 gegründete ifa versuche, unterschiedliche Formate zum kulturellen Austausch auf zwischenmenschlicher Ebene zu fördern. Tatsächlich seien Problematiken des 21. Jahrhunderts wie die des Klimawandels nur grenzüberschreitend zu lösen, und  grenzüberschreitende Kontakte ereignen sich v.a. auf Gebieten wie Kultur, Bildung oder auch beispielsweise dem Sport. Das ifa richte sich in seiner Arbeit dabei insbesondere an Zivilgesellschaften in Nachbarländern, insbesondere an Menschenrechtler, Journalisten und LGBT-Rechtler. In ihren Ausführungen bedauerte Frau Zschosch, dass es früher einen stärkeren Konsens gegeben habe, demzufolge eine Aufrüstung der Bundeswehr durch Anstrengungen im kulturpolitischen Bereich ausgeglichen werden müsse. Dieser Konsens habe jedoch in den letzten Jahren stark nachgelassen. Abschließend verwies Frau Zschosch nochmals auf die schwierige politische Lage zwischen Nord und Südkorea, welche durch Zusammenarbeit auf der kulturellen Ebene, wie beispielsweise die Repräsentation von nordkoreanischen Künstlern auf der Gwangju Biennale, erleichtert werden könne. Die Vermittlung kultureller Kenntnisse dürfe dabei nicht r einseitig sein, sondern müsse beidseitig verlaufen.

Frau Prof. Dr. Kisuk Cho, Professorin an der Graduate School of International Studies der Ewha Womans University, hielt den zweiten Impulsvortrag zur koreanischen Kultur und Bildungspolitik. Angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, der Konfrontation Russlands mit der NATO oder der Drohungen des chinesischen Präsidenten Xi Jinping gegenüber Taiwan scheint ein neuer Kalter Krieg immer näher zu rücken. Man könne sich in dieser Situation wohl fragen, weshalb Bildung und Kultur überhaupt relevant seien. Als Wissenschaftlerin, aber besonders auch als Dozentin, habe Professorin Cho jedoch Bildung stets als effektivstes Mittel der Diplomatie verstanden. Tatsächlich habe die Bedeutung der Soft Power zugenommen, wobei sich zugleich deren Charakter verändert habe. – Professorin Cho hob dabei unter Verweis auf eine Taxonomie von Jennifer Kavanagh, Senior Fellow des Carnegie Endowment for International Peace, folgende Charakteristika hervor:

1.       Der Einfluss autonomer nichtstaatlicher Akteure habe an Bedeutung gewonnen und somit je nach Land die staatliche Macht verstärkt oder auch geschwächt. Das Handlungsbewusstsein der Unternehmen fokussiere sich immer mehr auf Werte und soziale Beiträge und wende sich ab von rein wirtschaftlichem Gewinndenken.

2.       Die Globalisierung und der damit einhergehende technologische Fortschritt hätten dazu geführt, dass Waren, Dienstleistungen und Informationen über nationale Grenzen hinweg fließen und somit zwischenstaatliche Interaktionen kostengünstiger erfolgten.

3.       Darüber hinaus sei eine neue Art der Machtausübung zu beobachten, welche sich weder eindeutig als Hard noch als Soft Power klassifizieren lasse. Beispielsweise nutzten Hacktivisten im Ukraine Krieg die Cybertechnologie (Hard Power), um Einfluss auf die russische Bevölkerung durch faktische Informationen (Soft Power) auszuüben.

Die koreanische Bildungs- und Kulturpolitik werde von zwei unterschiedlichen Ministerien betrieben: dem Außenministerium (in Zusammenarbeit mit der Korea Foundation) und dem Ministerium für Kultur, Sport und Tourismus (in Zusammenarbeit mit dem Korean Culture and Information Service). Die Korea Foundation, zuständig für die Umsetzung der Kulturdiplomatie des Außenministeriums, verfolge vier einzelne Projekte: 1. Förderung der Koreanistik, 2. Globale Vernetzung, 3. Kultureller Austausch, 4.  Förderung der Forschung im Bereich der Politik im Ausland. Während im Außenministerium Kultur für die Diplomatie genutzt wird, versuche das Kultusministerium vorrangig, die Industrialisierung der koreanischen Kultur voranzutreiben und auf diese Weise die Soft Power Südkoreas zu stärken. Wird der Erfolg koreanischer Filme und Serien im Ausland gemeinhin als Resultat koreanischer Regierungspolitik betrachtet, sei dies jedoch nicht der Fall: Die Serien und Filme seien das Resultat der uneingeschränkten Gedanken- und Meinungsfreiheit der koreanischen Demokratie. Die ebenfalls in den Aufgabenbereich des Bildungsministeriums fallende auswärtige Bildungspolitik sei weniger sichtbar. Dabei bemühten sich die unter dem Kulturministerium agierenden “King Sejong Institutes”, Ausländern die koreanische Kultur und Sprache näher zu bringen. Weitere auswärtige bildungspolitische Maßnahmen werden umgesetzt vom National Institute for International Education (NIIED), dessen Aufgaben in sechs Bereiche zu unterteilen sind:  1. die Unterstützung ausländischer Studenten, 2. Global Korea Scholarship Programm, 3. Koreanische Sprachprüfungen, 4. Internationaler Bildungsaustausch, 5. Bildung für im Ausland lebende Koreaner, 6. Fremdsprachenausbildung. Prof. Cho zufolge müsse man in der näheren Zukunft die Zusammenarbeit auf der kommunalen Ebene stärken. So sei es wünschenswert, den Austausch zwischen Unternehmen, aber auch unter koreanischen und deutschen Schülern anzuregen. In der auf die beiden Impulsvorträge folgenden Diskussion wurde auch das Thema des beidseitigen Kulturaustausches zwischen Nord- und Südkorea diskutiert. Frau Prof. Cho wies dabei darauf hin, dass ein solcher Austausch unter den gegebenen politischen Rahmenbedingungen praktisch leider noch schwer durchzusetzen sei. Es bestand Konsens, dass in einer bedrohlich veränderten weltpolitischen Lage es wichtig sei, Bildungs- und Kulturpolitik im gesellschaftlichen Rahmen zu betrachten. Im Zuge der auf  Förderung der gemeinsamen Werte und Sicherheit zielenden Zusammenarbeit auf allen politischen Ebenen müsse auch in die Bildungsnetzwerke zwischen Deutschland und Korea investiert werden. Im Anschluss an die Diskussion erfolgte eine kurze Vorstellung des Projektes „Utopia ?! Peace - The Story of war and peace by Korean and international Artists“. Anlässlich des Gedenkens an die Teilung der Koreanischen Halbinsel vor 75 Jahren nimmt dieses Projekt die Analogien zwischen dem noch geteilten Korea und dem wiedervereinten Deutschland aus künstlerischer Sicht auf. Dabei wird die Frage nach einem Frieden vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage und der gewaltsamen Verschiebung nationaler Grenzen reflektiert.

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