Gespräch mit Nordkoreanischen Flüchtlingen im "National Institute for Unification Education"

Juniorforum

Am Montag, dem 1. November 2021, stand für die Teilnehmer des Junior-Forums ein Besuch beim Korean Unification Ministry, dem Koreanischen Wiedervereinigungszentrum im Norden Seouls auf dem Programm. Nach einer Einleitung in die Geschichte, Aufgaben und die Vision des Instituts unter dem Titel „Koreanische Halbinsel und Nordostasien – Aussichten der zukünftigen Entwicklung in der Region“ wurden den Teilnehmern die Möglichkeit geboten, an einer Gesprächsrunde im QnA Format mit zwei Nordkoreanischen Flüchtlingen teilzunehmen.

Frau Park war Lehrerin an einer weiterführenden Schule als sie sich 2011 auf den Weg nach China machte um ihren Onkel zu suchen. Nachdem dieser Plan scheiterte und sie nicht mehr umkehren konnte, verbrachte sie 2 Jahre dort, um später Zuflucht in Südkorea zu finden. Herr Oh hatte gerade die Universität mit einem Abschluss in Computer Science verlassen, als er 2015 seine dreitägige Reise über den Seeweg in den Süden antrat. Seine Motivation: die Hoffnung auf ein besseres Leben und nach der Freiheit zur Selbstverwirklichung, welche er in seinem aktuellen Job in einem Start-Up Unternehmen finden konnte.
Doch wie die Teilnehmer herausfinden sollten, war weder die Reise in den Süden, noch der Weg in die Eingliederung in die Koreanische Gesellschaft ein leichter. Entscheide man sich für die Flucht, so sei es nicht nur ein langwieriger, sondern auch ein einsamer und natürlich riskanter Planungsprozess. Weder den engsten Freunden, noch der eigenen Familie könne man etwas anvertrauen, und die Planungsphasen betrafen im Schnitt mindestens ein Jahr. Während beide Gesprächspartner die Einlebungsphase als eher positiv schilderten, so wurde nicht geleugnet, dass man als Flüchtling, sei es durch den Akzent, Vorurteile oder durch fehlendes „Allgemeinwissen“ auch negative Erfahrungen und Abweisungen durchleben müsse. Enttäuscht von der Realität in Südkorea seien die beiden jedoch nicht, da sie mit fundiertem Hintergrundwissen und aus großer Not die Flucht riskierten.
Zur Bildung und eventuellem politischen Diskurs in Nordkorea ließen sich auch viele Fragen klären. Den Eindruck, dass nur die Elite der Nordkoreanischen Gesellschaft an Universitätsplätze käme, sei nicht ganz unbegründet, und hätte sich seit den 80er Jahren verschlechtert, da die Konkurrenz unter Studenten steigt und Bestechungen üblicher werden. Da, wie mehrmals deutlich betont wurde, die menschenrechtliche Lage in Nordkorea noch schlechter sei als man es im Moment schätzt, trotz der Freieiten die die Nordkoreanische Konstitution angeblich gestattet, sei jede Art von politischem Diskurs selbst im privaten Kreise unmöglich. Durch die Androhung von strengen Strafen stehe die Gesellschaft unter enormen Druck ein regimeloyales Image zu unterstützen.
Die Gefühle über Nordkorea aus der Distanz sind für Frau Park und Herr Oh einstimmig; es gibt Dinge, Orte und Leute, nach denen sich beide sehnen, allerdings bereue keiner seine Entscheidung die Flucht angetreten zu haben. Herr Oh erzählte, dass er oft die Grenze besuche und durch Nostalgie an seine Vergangenheit in Gedanken die Zäune und Mauern abreißen wolle. Hinsichtlich der Idee einer Wiedervereinigung sei die breite Masse in Nordkorea positiv gestimmt. Allerdings gebe es immer mehr Menschen, besonders in der jüngeren Generation, denen das Konzept eines vereinten Koreas selbst zu fern, und die Vision somit uninteressant ist.
Für die Zukunft sind Frau Park und Herr Oh positiv gestimmt, und auf die Frage, ob es etwas gebe, was die Koreanische Politik oder Gesellschaft besser machen könne, wurde auf das Bildungssystem und die teilweise immer mehr apathische Stimmung gegenüber dem Leiden in Nordkorea gedeutet. Steigende Konkurrenz und Druck im Alltag sowie der schwindende Respekt und die distanzierte Beziehung zwischen Lehrpersonal und Schülern dürfe nicht zu Ignoranz und Apathie führen, gleichzeitig solle die Idee eines harmonischen Zusammenlebens nach einer Wiedervereinigung nicht als undurchführbar gebrandmarkt werden.
Das Gespräch mit Frau Park und Herr Oh war nicht nur aufschlussreich über die Lage in Nordkorea, sondern führt auch vor Augen, wie weit sich beide Länder seit der gewaltsamen Teilung verändert und entwickelt haben. Trotz der offensichtlichen Unterschiede konnte man durch die Erzählungen der beiden Gesprächsteilnehmer ein Zugehörigkeitsgefühl spüren, welches die Halbinsel als eins verbindet und welches keine physische Grenze oder politisches System trennen kann.

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