Humanitäre Katastrophe droht: Nordkoreas „mysteriöses Fieber“ breitet sich rasant aus

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Kim Jong Un hat dieser Tage einen vollen Terminkalender. Erst zu Beginn der Woche tourte Nordkoreas Machthaber, gekleidet in schwarze Lederjacke und mit zwei OP-Masken im Gesicht, zu nächtlicher Stunde durch die Apotheken der Hauptstadt, um die medizinischen Vorräte zu inspizieren.

Amnächsten Morgen trommelte der 38-Jährige schließlich das Politbüro für ein Krisentreffen zusammen. Darin sprach der Diktator in seiner gewohnt blumigen Sprache, er werde „die gesamte Partei wie einen aktiven Vulkan erwecken“.

Corona-Lage in Nordkorea besorgniserregend

Die Staatsführung muss tatsächlich, nach allen verfügbaren Informationen, einen nationalen Notfall bewältigen. Nur wenige Tage, nachdem das Land erstmals Corona-Infektionen im Land zugegeben hat, sind die offiziellen Zahlen rasant in die Höhe geschossen: Allein am Mittwoch sprachen die Behörden von weiteren 230.000 Fällen, insgesamt sollen sich bereits 1,7 Millionen Nordkoreaner und Nordkoreanerinnen angesteckt haben.

Davon sind mehr als 60 an dem Virus gestorben, knapp 700.000 Menschen befinden sich noch in Quarantäne. In der Staatspropaganda wird dabei jedoch stets von einem „mysteriösen Fieber“ gesprochen – wohl vor allem, weil die Behörden nur über begrenzte Kapazitäten für PCR-Tests verfügen. Dementsprechend sind sämtliche Angaben eher als Richtwert zu betrachten.

Hilfsangeboteaus anderen Ländern lehnte Nordkorea bisher ab

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigt sich dennoch besorgt. Gleichzeitig ist die WHO in ihrem Handlungsspielraum stark eingeschränkt: Nordkorea hat bislang auf keine der vielfachen Hilfsangebote reagiert. Seit vergangenem Jahr bereits versucht etwa die Covax-Initiative, Vakzine ins Land zu entsenden. Damals hieß es von nordkoreanischer Seite, dass andere Länder die Impfstoffe dringender benötigten. Schließlich,beharrte Pjöngjang weiterhin, habe man bislang keinen einzigen Ansteckungsfall registriert.

Welchen Plan verfolgt Nordkorea?

Dass das Land nun täglich in seinen Propagandamedien über die Corona-Situation berichtet, wird von vielen Experten und Expertinnen als taktisches Kalkül gewertet. Dem Regime gehe es darum, internationale Hilfslieferungen abzugreifen. Viele Länder stehen bereits Schlange, um mit medizinischem Gerät und Impfstoffen auszuhelfen – darunter auch Südkorea, das seit Kurzem vom konservativen Hardliner Yoon Seok-yeol regiert wird. „Ich habe wiederholt gesagt, dass ich immer offen für humanitäre Hilfe bin, ganz gleichob der militärischen Probleme, die zwischen Nord- und Südkorea liegen“, sagte Yoon vor der Nationalversammlung in Seoul.

Doch Kim ist bislang auch darauf nicht eingegangen. Laut südkoreanischem Vereinigungsministerium habe man über dem einzig betriebsfähigen Gesprächskanalein Fax gen Norden geschickt, allerdings keine Antwort erhalten. Das hat auch mit dem propagandistischen Gründungsmythos der Kim-Dynastie zu tun: Die Diktatorenfamilie behauptet von sich, ihre Bevölkerung vor einer feindlichgesinnten Welt zu schützen. Dass man sich von Südkorea, dem „Hund der US-Imperialisten“, aushelfen lässt, würde da nicht so recht ins Bild passen.

Nordkoreawehrt sich gegen Hilfe von außen

Es könnte schwierig werden, Vakzine ins Land zu bringen. „Die Hilfe, die Nordkorea am Ende akzeptiert, sind möglicherweise nicht unbedingt die Impfstoffe“, analysiert Go Myong-hyun von der Asan-Denkfabrik in Seoul. Laut dem Experten geht es dem Regime in Pjöngjang an allererster Stelle um Kontrolle und Selbsterhalt. mRNA-Vakzine könnten diese indirekt untermauern, da man einerseits ausländische NGOs ins Land lassen müsste und andererseits auch externe Abhängigkeiten erzeugen würde. Und überhaupt: Logistisch könnte Nordkorea die Tiefkühlkette gar nicht gewährleisten.

Trotz allem hoben am Montag dre inordkoreanische Cargo-Flieger ab, um in der nordostchinesischen Stadt Shenyang Fracht aufzuladen. Ob darunter auch Impfstoffe waren, ist bislang nicht bekannt. Noch am selben Tag flogen die Maschinen wieder retour, wie die südkoreanische Zeitung „Kyunghyang Sinmun“ meldete.

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